Glühen in der Werkstoffkunde

In der Metallurgie und Materialforschung bezeichnet das Glühen eine Art Wärmebehandlung, welche die mechanischen, physikalischen und chemikalischen Eigenschaften eines Werkstoffs verändert. Durch das Glühen werden Stähle einfacher verarbeitet, da die Verformbarkeit verbessert und die Härte reduziert wird.

Eine ähnliche Wärmebehandlung ist das Tempern, welches in Kombination mit dem Anlassen zum Vergüten gehört. Beim Tempern erfolgt jedoch die Behandlung des Werkstücks unterhalb der Glühtemperatur.

Funktionsweise

Die Wärmebehandlung bewirkt in Stählen die Neuordnung der Atome im Kristallgitter, welche durch die langsame Erhitzung über der Rekristallisationstemperatur hervorgerufen wird. Bei konstanter Temperatur wird der Werkstoff dann für die gewünschte Zeit gehalten. Dadurch werden Gitterbaufehler in der Kristallstruktur reduziert, wodurch die Dehnung und Formbarkeit verbessert werden.

Nach dem Vorgang wird der Werkstoff abgekühlt. Je nach gewünschten Werkstoffeigenschaften können weitere Wärmebehandlungen durchgeführt werden. Die endgültigen Werkstoffeigenschaften sind stark abhängig von der Zusammensetzung des Metalls, sowie der Wärme- und Abkühlungsgeschwindigkeit.

Welche Varianten des Glühen gibt es?

Beim Stahl wird nach den gewünschten Eigenschaften des Werkstücks zwischen verschiedenen Glühverfahren unterschieden. Welches Verfahren zum Einsatz kommt, wird durch die Prozesstemperatur bestimmt. Die wichtigsten dabei sind:

Spannungsarmglühen

Das Werkstück wird bei dem Prozess auf relativ niedrige Temperaturen zwischen 480 °C und 680 °C erhitzt. Ziel ist die Beseitigung der Eigenspannung. Um wiederauftretende thermische Spannungen zu verhindern, findet die Abkühlung langsam statt.

Weichglühen

Die Prozesstemperatur bei dem Vorgang beträgt zwischen 650 °C und 750 °C statt. Ziel ist es, die Ausscheidung von Zementit und Perlit zu senken und somit die Verformbarkeit des Stahl zu senken.

Normalglühen oder Normalisieren

Ziel des Verfahrens ist die Bildung eines feinkörnigen Kristallgefüges. Die Prozesstemperaturen sind abhängig vom Kohlenstoffgehalt des behandelten Stahls und liegt zwischen 800 °C und 950 °C. Das Normalglühen zählt zu den wichtigsten Wärmebehandlungsverfahren.

Lösungsglühen

Das Verfahren dient dem Abbau von Konzentrationsunterschieden zwischen den Legierungselementen sowie dem Abbau von Spannungen. Bei Stahl liegt die Lösungstemperatur zwischen 950 °C und 1200 °C.

Weitere Varianten sind das Wasserstoffarmglühen, das Rekristallisationsglühen und das Grobkornglühen.

Was sind die Vorteile der Behandlung?

Werkstoffe werden der Wärmebehandlung aufgrund von folgenden Gründen ausgesetzt:

  • Reduktion der Härte zur Kaltumformung: Spannungsrissarrosionen sind eines der größten Herausforderungen der Kaltumformung. Daher muss wieder etwas Duktilität hergestellt werden, welche durch Glühen erzielt wird.
  • Reduktion der Eigenspannung: Ein Nebeneffekt des Glühens ist der Rückgang der Eigenspannung. Sind Werkstoffe einer konstanten Hitze ausgesetzt, wird die Streckfestigkeit reduziert.
  • Bessere maschinelle Bearbeitbarkeit: Die reduzierte Härte begünstigt eine bessere Bearbeitbarkeit des Materials.

Geeignete Werkstoffe

Neben Stahl eignen sich auch andere Metalle zum Glühen: Messing, Kupfer und Silber können auch für das Glühen verwendet werden. Sie werden erhitzt, anschließend werden sie abgekühlt, bis sie Zimmertemperatur erreichen. Im Gegensatz zu Stahl, welcher langsam an der Luft seine Temperatur verliert, können Messing, Kupfer und Silber auch in Wasser abgeschreckt werden. Stahl muss allerdings langsam abkühlen, damit er nach dem Glühen besser verarbeitet werden kann. Nach dem Schritt kann er dann weiteren Wärmebehandlungen unterzogen werden, welche das Abschrecken einbeziehen.