Versetzungen von Metallen und Werkstoffen
In der Materialforschung bezeichnen Versetzungen Gitterbaufehler in einem Kristallgitter. Diese entstehen, wenn Belastung auf einen Werkstoff ausgeübt wird. Sie können sich von Atom zu Atom bewegen, wodurch sie eine plastische Verformung hervorrufen können. Versetzungen spielen eine wichtige Rolle in der Metallurgie und Metallverarbeitung, da sie Werkstoffeigenschaften wie Härte und Verformbarkeit stark beeinflussen.
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Arten der Versetzungen: Die Stufenversetzung und die Schraubenversetzung.
Der Burgersvektor und die Versetzungslinie
Der Burgersvektor (b), benannt nach dem niederländischen Physiker Dan Burgers, ist ein Vektor, welcher den Umfang und die Richtung der Gitterversetzung beschreibt. Der Burgersvektor wird an der Distanz zwischen den beiden Atomen gemessen, in der sich die Versetzung bewegt.
Die Versetzungslinie ist die Linie, um welches sich das Spannungsfeld einer Versetzung legt.
Versetzungen setzen sich aus den Parametern des Burgersvektor und der Versetzungslinie zusammen. Je nach Versetzungstyp interagieren Burgersvektor und Versetzungslinie unterschiedlich miteinander.
Stufenversetzung
Die Stufenversetzung zeichnet sich durch eine zusätzliche Halbebene von Atomen aus, welche in das Kristallgitter durch Belastung eingeschoben wird. Dadurch werden nahegelegene Atomebenen beeinflusst, wodurch eine Verformung entsteht. Bei der reinen Stufenversetzung liegen Burgersvektor und Versetzungslinie senkrecht zueinander.
Versetzungen können sich von einer Ebene zur nächsten bewegen und beeinflussen nur Atome, die sich in der unmittelbaren Nähe befinden. Sobald eine Versetzung gelöst ist, nimmt das Gitter wieder seine alte Struktur ein.
Stufenversetzungen werden auch als lineare Versetzungen bezeichnet, weil die Unregelmäßigkeiten entlang einer Linie oberhalb der zusätzlichen Halbebene verlaufen.
Schraubenversetzung
Ein anderer Versetzungstyp sind Schraubenversetzungen. Diese sind nach der Bewegung der Versetzung benannt, da sie sich um die Versetzungslinie windet. Bei einer puren Schraubenversetzung liegen Versetzungslinie und Burgersvektor parallel zueinander. Ihre Bewegung kann man sich auch als Spirale vorstellen.
Schraubenversetzungen und Stufenversetzungen schließen sich nicht gegenseitig aus. In der Praxis sind gemischte Versetzungen vollkommen normal. Versetzungslinie und Burgersvektor sind nicht ausschließlich senkrecht oder parallel zueinander. Die meiste Zeit ist ihre Position zueinander irgendwo dazwischen.
Geschichte
Das Schmelzen und Schmieden gehört seit Jahrtausenden zur Menschheitsgeschichte. Trotzdem konnte bis vor etwa 100 Jahren niemand erklären, warum die Formbarkeit von Metallen verändert werden kann, ohne die chemische Komposition des Metalls zu verändern.
Als Taylor, Orowan und Polyani die Versetzung im Jahre 1934 entdeckten, haben sie eine wissenschaftliche Erklärung für die Plastizität von duktilen Metallen geliefert. Ihre Entdeckung basiert auf der Theorie der Versetzungen des italienischen Wissenschaftlers Vito Volterra.
Allerdings konnte die Versetzungstheorie erst bewiesen werden, als Elektronenmikroskope in den 1950er Jahren entwickelt wurde. Dadurch konnte bewiesen werden, dass die Duktilität und Härte von Metallen abhängig von den Versetzungen im Kristallgitter sind.